Manche Wege zum Erfolg führen bekanntlich über Umleitungen, weil an der einen oder anderen Baustelle im Leben so leicht kein Durchkommen ist. Dann ist die Frage, was man daraus macht und welche Chancen sich daraus ergeben. Mike Blechschmidt aus Pritzwalk könnte mit seinem Erfahrungsschatz diesbezüglich vermutlich Bände füllen. Heute zählt der Unternehmer zu den wichtigsten Förderern und Partnern der Technischen Hochschule Brandenburg.
Als Chef der BLECHSCHMIDT-INDUKA-Firmengruppe mit insgesamt rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leitet er nicht nur eines der erfolgreichsten Unternehmen in Pritzwalk, sondern fungiert zugleich als Vorsitzender des Wachstumskerns Autobahndreieck Wittstock/Dosse e.V. (WADWD): einem Zusammenschluss von Kommunen, regionalen Unternehmen und der Technischen Hochschule Brandenburg, die über ihre Präsenzstelle auch in Pritzwalk starke Kooperationen mit regionalen Entscheidungsträgerinnen und -trägern pflegt.
INDUKA besteht aus der 1991 gegründeten Reinigungsfirma Blechschmidt, die Mike Blechschmidt von seinem Vater übernahm, sowie aus der 15 Jahre später gegründeten Induka Service GmbH, die auf die technologisch anspruchsvolle Reinigung von Industrieanlagen, Maschinen, Fertigungsstrecken sowie wasserführender Infrastruktur ausgerichtet ist. „Induka ist gewissermaßen die Hochtechnologie und Blechschmidt stellt die Bodentruppen“, sagt der Firmeninhaber, der manchmal noch selbst in eines seiner Räumfahrzeuge steigt und den Winterdienst für die Kommune verrichtet.
Arbeiten statt Studieren: Von der NVA ins Arbeitsamt
Dabei wollte Mike Blechschmidt nach seinem Wehrdienst in den 1980er-Jahren eigentlich Medizin studieren. Weil das nicht ohne weiteres möglich war, fing er stattdessen beim Amt für Arbeit des Kreises Pritzwalk an, wo er Arbeitskräfte nach Bedarf und Eignung an verschiedene Arbeitgeber vermittelte. Sein Wunsch nach einem Studium verschob sich derweil in Richtung Jura.
Doch erneut musste der akademische Titel zurück in die Warteschleife gestellt werden. Denn der November 1989 war nicht der beste Moment, um in Ostdeutschland an eine Universität zu wechseln. „Ich dachte: Jetzt wartest du einfach mal ab und wirst eben nicht Staatsanwalt“, erinnert sich der Familienvater. „Und als die Wende kam, wurde meine Abteilung dann aus dem Rat des Kreises Pritzwalk ausgegliedert und der Bundesanstalt für Arbeit direkt unterstellt.“
Und so wurde Mike Blechschmidt mit gerade mal 24 Jahren der wahrscheinlich jüngste Leiter einer Arbeitsagentur in der Bundesrepublik. Bei Arbeitslosenquoten im zweistelligen Bereich und massenhafter Abwanderung von Fachkräften war der Job für den jungen Mann nicht immer einfach. Gleichwohl erlernt und professionalisiert Blechschmidt im Laufe der Jahre den geschickten Interessenausgleich zwischen Unternehmen und Verwaltung, kann seine vielfältigen Kontakte und sein gutes Gespür für Chancen einsetzen.
Eine schwere Krankheit und der berufliche Neustart
Alles läuft in geordneten Bahnen und hätte immer so weitergehen können. „Da erhielt ich 1997 die Diagnose Lymphdrüsenkrebs“, sagt der Unternehmer. „Das hat mich für einige Zeit ziemlich aus der Bahn geworfen.“ Und zum erneuten Umlenken bewegt, denn Mike Blechschmidt hängt seinen bisherigen Job an den Nagel und steigt am 1. März 1998 in der Firma seines Vaters ein, damals noch ein klassischer Gebäudereinigungsdienstleister.
Das Netzwerken hat er deshalb aber nicht aufgegeben, im Gegenteil: Mit der Gründung der PMG- Projektmanagementgesellschaft ging es sogar erst richtig los. 2006 gründete er dann die Induka Service GmbH. Heute zählt nahezu das gesamte Portfolio der Wirtschaftsregion im Brandenburger Nordwesten zum Kundenstamm der Firmengruppe. Die Erfahrung der Abwanderung von Leistungsträgerinnen und -trägern in den 1990er-Jahren hat Mike Blechschmidt darüber hinaus zu einem Verfechter struktureller Veränderung auch auf politischer Ebene gemacht.
Die erste Präsenzstelle im Land Brandenburg entsteht
Und so machte sich der vielseitig interessierte Mann von Anfang an gegenüber Politik und Kommunen dafür stark, die Prignitz zum Hochschulstandort zu machen. „Wir sind hier nicht bildungsfern, nur hochschulfern“, wie er betont. „Aber wir müssen es schaffen, die Blickrichtung der jungen Leute auf der Suche nach Arbeit und einer Perspektive wieder um 180 Grad zu drehen. Deshalb brauchen wir eine Hochschule – nicht so sehr physisch als Baukörper, sondern vielmehr als Anlaufstelle.“
Gemeinsam mit Heiner van de Loo, dem damaligen Geschäftsführer des Zahnradwerks Pritzwalk und heute Ehrensenator der THB, „unserem Türöffner zur Technischen Hochschule Brandenburg“ wie Mike Blechschmidt sagt, wird aus der Idee langsam Realität. Erste Gespräche mit dem damaligen Präsidenten Prof. Dr. Rainer Janisch und Diana Rosenthal vom Zentrum für Gründung und Transfer der THB münden in dem Beschluss, einen Standort in Pritzwalk zu installieren, wenn dafür Geld aus der Region zur Finanzierung zur Verfügung steht, die Idee der Präsenzstelle nahm allmählich Gestalt an.
Wissen wirkt: akademisches Knowhow für den hochschulfernen Nordwesten
Vorgespult ins Jubiläumsjahr 2022 bietet diese Präsenzstelle Prignitz mit Standorten in Neuruppin, Pritzwalk und Wittenberge nicht nur den Prignitzern eine Möglichkeit zum Studieren, sondern umgekehrt auch den Unternehmen einen Zugang zu wissenschaftlichem Knowhow und gut ausgebildeten Fachkräften. „Unsere Präsenzstelle war praktisch die Blaupause für andere Präsenzstellen im Land Brandenburg“, sagt Daniela Herrling vom Standort in Pritzwalk. „Der Fokus liegt hier ganz klar auf der hochschulfernen Region mit gleichzeitig starker Wirtschaftskraft und entsprechendem Bedarf an Fachkräften.“
Induka hat beispielsweise von der Diplomarbeit von THB-Absolvent Stefan Schmidt aus Kyritz profitiert, der ab 2006 eine ERP-Betriebssoftware für das neugegründete Unternehmen finden und implementieren half. 2007 und 2008 hat Schmidt für seine UMTS-Lösung speziell für die Inspektion von Kanälen sogar den BraIn - Brandenburger Innovationspreis (BraIn) der THB gewonnen. Auch jenseits der Stellenvermittlung ist beim Prignitzer THB-Satelliten einiges los. Da gibt es Summer Schools, Science Slams, Bildungsmessen und die Möglichkeitberufsbegleitend vor Ort zu studieren..
Duales Studium als Erfolgsmodell für ländliche Regionen
Ein wichtiger Faktor für die Stärkung dieses kooperativen Ansatzes zwischen Hochschule und Wirtschaft ist aus Sicht des Unternehmers das duale Studium. „Wir brauchen das duale Studium hier in der ländlichen Region zu hundert Prozent“, bestätigt Mike Blechschmidt. „Wenn über die Ausbildungsvergütung für ein Auskommen gesorgt ist, brauchen die jungen Leute für ihr Studium die Region nicht zu verlassen.“
Damit haben es die im Wachstumskern Autobahndreieck Wittstock/Dosse e.V. organisierten Unternehmen und Kommunen und die THB über ihre Präsenzstelle geschafft, das Thema Studium in die Schulen und Elternhäuser der Prignitz zu tragen und so das Profil der Region als attraktiver Wirtschaftsstandort zu schärfen. „Mit der THB haben wir hier eine Institution, wo wir sagen können: Das kann dir oder deinen Kindern letztendlich zu einem guten Job verhelfen“, bringt es Blechschmidt auf den Punkt.
Studiert hat der stets mit neuen Projekten und Investitionen beschäftigte Tausendsassa dann im Jahr 2003 übrigens doch noch. Allerdings weder Medizin noch Jura, sondern Betriebswirtschaftslehre – und zwar berufsbegleitend. Sein Interesse für den Arbeitsmarkt hat er im Übrigen weitervererbt an seinen Sohn: Der 20-Jährige studiert Arbeitsmarktmanagement in Schwerin. Und hat mit seinem Papa praktischerweise gleich den besten Ansprechpartner.