„Einsamkeit ist natürlich immer ein Problem“, sagt der Informatik-Absolvent Robert Kengmogne Kamga über ausländische Studierende. „Aus Ländern wie dem westafrikanischen Benin sind hier vielleicht nur ein oder zwei Studierende am Campus. Deshalb gibt es unsere Gruppe.“ Die Gruppe, das ist die „Gemeinschaft der afrikanischen Studierenden und Wissenschaftler Brandenburg“. Menschen, die sich gegenseitig helfen und gemeinsam den akademischen Stoff in der schwierigen deutschen Sprache lernen. Beim Fußball oder gemeinsamen Kochen können sie den Alltag für einen Moment vergessen. Denn während in Metropolen oft schon Gemeinschaften von Menschen aus anderen Kulturen vorhanden sind, könne man sich als Ausländerin oder Ausländer in ländlichen Regionen wie Westbrandenburg manchmal etwas einsam fühlen, erklärt der THB-Absolvent.
Von Kamerun nach Brandenburg
Robert Kamga kommt aus Kamerun in Zentralafrika. Er und seine sieben Geschwister wuchsen in Douala auf – mit rund 2,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern die größte Stadt. Sein Vater arbeitete als Metallbauer, seine Mutter führte einen kleinen Laden. Nach dem Abitur entschied sich Robert Kamga im Jahr 2016 für ein Studium in Deutschland und ging nach Brandenburg an der Havel. „Mein älterer Bruder lebte bereits in Berlin und hat mir bei der Ankunft in Deutschland viel geholfen“, erinnert sich der ehemalige THB-Student. „Vom Zimmer im Wohnheim bis zur Immatrikulation an der THB hat er sich um vieles gekümmert.“
Diese Hilfsbereitschaft zeigte Robert Kamga fortan auch selbst gegenüber seinen Mitstudierenden. Er half Neuankömmlingen bei der Orientierung, organisierte Lerngruppen für die Informatikstudierenden und gab als Tutor wertvolle Hilfestellung bei den ersten Programmier-Übungen. Dabei hatte dem jungen Kameruner die Informatik ursprünglich gar nicht als Studienfach vorgeschwebt.
Von der Medizin zur Medizininformatik
Denn eigentlich wollte Robert Kamga immer Chirurg werden, Operationen durchführen und Patienten helfen. „Aber der hohe Numerus Clausus in Deutschland machte dem einen Strich durch die Rechnung, wie bei so vielen“, erzählt er über die Zulassungsbeschränkungen für das Medizinstudium. Es wurde also die Informatik mit Studienschwerpunkt Medizininformatik. Das bot durchaus Schnittmengen mit der Medizin. Die Entscheidung für das MINT-Fach war für ihn aber zunächst wie ein Sprung ins kalte Wasser.
Denn in vielen Schulen Kameruns wird das Fach gar nicht unterrichtet. „Das erste Mal an der Hochschule etwas programmieren zu müssen, kann die Hölle sein“, sagt er. „Auch ich hatte im ersten Semester so meine Startschwierigkeiten.“ Dass er den teilweise sehr abstrakten Stoff im Grundstudium letztlich doch verstanden hat, verdankt er seinem Fleiß und Ehrgeiz, aber auch dem studentischen Lernhilfeprogramm „My Teaching“, das er später selbst mehrere Jahre aktiv für andere durchführte.
Dankbar ist er auch für den guten Kontakt zu den Dozierenden im Fachbereich für Informatik und Medien. „Vor allem bei Prof. Dr. Gabriele Schmidt habe ich viele Fortschritte gemacht“, erinnert sich Robert Kamga und lacht: „Wegen meiner vielen Fehler beim Programmieren galt ich scherzhaft als ‚der Bombenentwickler‘. In Afrika würden wir sagen: Sie war wie eine Mutter für uns.“
Ein Ansprechpartner mit Wissen, das wirkt
Damit es nachfolgende Jahrgänge leichter haben, sich an der THB zurechtzufinden, kümmerte sich Robert Kamga, der bereits in Kamerun sehr gute Deutschkenntnisse erworben hatte, um Neuankömmlinge insbesondere aus den afrikanischen Ländern. Das Zentrum für Internationales und Sprachen vermittelte den Kontakt und sofort hatten ausländische Studierende einen Ansprechpartner, mit dem sie wahlweise auf Französisch, Englisch oder Deutsch sprechen konnten.
Er wusste sich auch schnell mit anderen Studierenden zu vernetzen. Schon einige Jahre zuvor hatte sich die Gemeinschaft afrikanischer Studierender und Wissenschaftler an der THB formiert. Als deren Vorsitzender fungierte Robert Kamga für einige Jahre, in denen die Gruppe durch interkulturelle Events auch einem breiteren Publikum vorgestellt wurde. So organisierte Robert Kamga zwei Modenschauen zum Tag der offenen Tür.
Aktionsessen in der Mensa
Eine willkommene Abwechslung im Speiseplan waren zudem Aktionsessen in der Mensa, die er mit anderen Studierenden veranstaltete. „Das war wirklich ein gutes Erlebnis“, resümiert Robert Kamga, der auch selbst einen Tag lang in der Großküche an den Töpfen stand. „Es war natürlich stressig zu erleben, wie anstrengend dieser Job für das Küchenpersonal ist. Aber am Ende haben wir es geschafft und den Leuten hat’s geschmeckt.“
Robert Kamga weiß, dass der Erfolg dieser Veranstaltungen den Mitgliedern seiner Gemeinschaft zu verdanken ist, die dafür alles Erdenkliche in Gang gesetzt haben. „Ich möchte daher allen Mitgliedern danken, die sich auch heute für den Fortbestand unserer Community engagieren“, sagt er und hofft, dass nachfolgende Studierende die gute Tradition ihrer Vorgänger mit eigenen Ideen und Initiativen weitertragen.
Im Jahr 2021 erhielt der Informatiker den Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für hervorragende akademische Leistungen ausländischer Studierender. Seine Studienleistungen, aber auch sein ehrenamtliches Engagement und seine Verdienste für die interkulturelle Verständigung mit ausländischen Studierenden haben nicht nur seine Profs, sondern auch die Jury vom DAAD überzeugt. Im gleichen Jahr machte der Preisträger den Master-Abschluss mit einer Arbeit zum Thema domänenspezifische Sprachen.
Familienglück in Brandenburg an der Havel
In Robert Kamgas Zeit an der THB fällt auch die Hochzeit mit seiner Frau, die er bereits in Kamerun zum ersten Mal getroffen hatte, aber erst in Brandenburg lieben lernte. Dass das Mädchen aus dem Deutschkurs in Douala irgendwann einmal seine Frau werden könnte, hätte Robert Kamga als junger Abiturient wohl kaum geglaubt. Im Juli 2020 wurde das Familienglück perfekt, als ihre kleine Tochter im Klinikum von Brandenburg an der Havel geboren wurde.
Heute leben beide Eltern in der Havelstadt und entwickeln für den Technologiekonzern Sopra Steria neue Software-Lösungen für den Public- und Finanzsektor. Und zählen damit zu top-ausgebildeten Fachkräften, die dringend in der Region Berlin-Brandenburg gebraucht werden. „Wir sehen immer mehr ausländische Absolventinnen und Absolventen, die nach dem Studium in der Region bleiben und einen Job finden“, berichtet Heike Wolff vom Zentrum für Internationales und Sprachen. „Die THB bietet keine Studiengänge auf Englisch an, weshalb ausländische Studierende gezwungen sind, Deutsch auf akademischem Niveau zu lernen. Das macht es zwar schwieriger für Studierende, erleichtert Absolventinnen und Absolventen im Anschluss jedoch die Jobsuche in Deutschland.“
Mit dem Master in der Tasche, dem Nachwuchs daheim und der Karriere in vollem Gange hat Robert Kamga nun alle Hände voll zu tun. Der THB den Rücken gekehrt hat er damit jedoch nicht. Denn nicht nur kümmert sich Robert Kamga weiterhin um andere ausländische Studierende, die neu an der THB sind. Er hat gemeinsam mit anderen sogar eine neue Gruppe gegründet: „Wir nennen sie: ‚Immer zusammen, mehr als Freunde‘“, erzählt der groß gewachsene Brandenburger. „Es sind Freunde aus dem Deutschkurs in Douala, die sich alle drei Monate treffen.“