Der Experimentalphysiker ist weit über die Technische Hochschule Brandenburg hinaus für seine physikalischen Experimente bekannt, mit denen er seine Zuhörerschaft anschaulich über die Gesetzmäßigkeiten und Wunder der Natur aufklärt. Da wird Feuer gespuckt, mit Knallgas oder der Fliehkraft auf Tuchfühlung gegangen und festes Metall einzig mit der Kraft des Vakuums verformt.
Als Requisiten dienen oft ganz haushaltsübliche Gegenstände. „Ich habe schon seltsame Blicke geerntet, weil ich Produkte in Supermärkten ausgemessen oder Melonen in Fahrradhelme gesteckt habe“, erzählt der Physiker lachend. „Aber manches Zubehör ist gar nicht so leicht zu beschaffen, wenn man keinen Künstlerausweis hat.“ Denn wer kauft schon Feuerspuckflüssigkeit mal eben so?
Seit 1998 setzt der Professor auch für die Öffentlichkeit verstärkt auf die Kraft des Experiments. Gemeinsam mit seinem Weggefährten und Kollegen Prof. Dr. Klaus-Peter Möllmann hat er mit einfachen Show-Experimenten und bestechender Didaktik im Laufe der Jahre vielen Zuschauenden und Zuhörenden ein großes Staunen ins Gesicht gezaubert – und für so manchen Aha-Moment gesorgt. Zu den öffentlichen Vorträgen strömten oftmals Hunderte Besucher ins Audimax und die Karten waren binnen kürzester Zeit verkauft.
Von der Pfalz über Heidelberg und den großen Teich
Seinen Weg zur Physik fand der gebürtige Pfälzer in jungen Jahren durch seine Faszination für die Natur. „Mich hat anfangs gar nicht so sehr die Physik interessiert, sondern die Natur an sich“, sagt er. „Wenn zum Beispiel die Sonne tief stand und alles in rötliches Licht getaucht hat, war das für mich als Kind immer wie ein kleines Wunder anzuschauen.“ Als Jugendlicher entdeckte Michael Vollmer noch eine weitere Leidenschaft für sich, die ihn nicht mehr loslassen sollte: das Tanzen, das er bis heute regelmäßig und mit großer Freude hobbymäßig betreibt.
Nach dem Abitur, Jobben und Interrail-Reisen quer durch Europa fiel die Wahl seines Studienfachs gegen die Mathematik und für die Physik aus. „Als Physiker können Sie jedes beliebige Problem lösen. Und jeder Physiker betreibt irgendwie auch angewandte Mathematik“, sagt Professor Vollmer. Die Faszination an physikalischen Problemen hat auch nie nachgelassen, selbst wenn „Phänomene der Quantenphysik oder die Relativitätstheorie die übliche menschliche Vorstellungskraft vielleicht übersteigen.“
Michael Vollmers Studium fiel in die Jahre des Nato-Doppelbeschlusses und der globalen atomaren Aufrüstung mit Marschflugkörpern, Pershing II und SS20-Raketen und obskuren politischen Ideen zu Weltraumabwehrsystemen. Die Gefahr eines atomar geführten dritten Weltkriegs hing greifbar nahe in der Luft. Eine breite Friedensbewegung hatte die Studierenden erfasst – der junge Physiker schwamm mittendrin. Gemeinsam mit Kommilitonen ging es zu Friedensdemonstrationen und er trat mit politischem Kabarett vor Studierenden auf.
Während seine akademische Laufbahn bis zur Habilitation an der Uni in Heidelberg verlief, erwartete Michael Vollmer eine seiner wichtigsten Lebenserfahrungen in den USA. Das Auslandsjahr in Berkeley und ausgedehnte Reisen durch Nordamerika haben den damals 30-Jährigen nachhaltig geprägt: „In einer fremden Sprache ganz auf sich allein gestellt auf einem riesigen Universitätscampus tätig – wer das meistert, gewinnt viel Selbstvertrauen für das spätere Leben.“
Die Berufung nach Brandenburg an der Havel
1994, nach drei Jahren als Privatdozent an der Uni Kassel, wurde Dr. Michael Vollmer zum Professor für Experimentalphysik an die neugegründete Fachhochschule Brandenburg berufen. Wenige Jahre später zogen seine Frau und seine Tochter zu ihm in die Havelstadt. Ab 1998 trat er mit Prof. Dr. Klaus-Peter Möllmann für physikalische Experimente auf die Bühnen, acht Jahre später weihten sie mit ihrem Vortrag sogar das neue Audimax ein.
Im Jahr 2000 wurde Michael Vollmer nochmalig Vater, die damalige Wohnung am Marienberg wurde zu klein, die Familie bezog ein Haus in der Nähe des Beetzsees. Auch an der Hochschule wuchs Michael Vollmers Aufgabenpensum und im Laufe der Jahre beschäftigte er sich neben der Lehre in vielfältiger Weise mit Forschungsthemen und belegte – wie üblich – auch Ämter der akademischen Selbstverwaltung im Senat, im Fachbereichsrat sowie in Berufungskommissionen.
Fortbildung für Physiklehrer und ein Preis für herausragende Didaktik
Mit seinem Ansatz der Freihand- und Low-Cost-Experimente zur Demonstration physikalischer Alltags- und Naturphänomene organisiert Prof. Dr. Michael Vollmer seit den 1990er-Jahren Fortbildungen für Physiklehrerinnen und -lehrer in der Region, aber auch bundesweit, mitunter auch in Österreich und der Schweiz, vereinzelt sogar in Mexiko oder Namibia. Viele der mehrtägigen Fortbildungen werden zentral über die Deutsche Physikalische Gesellschaft sowie die Wilhelm und Else Heraeus Stiftung gefördert.
Für sein herausragendes Engagement zur Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnis in Lehre, Unterricht und Didaktik der Physik erhielt Prof. Dr. Michael Vollmer 2013 den Robert-Wichard-Pohl-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Seine ab März 2023 verliehene dreijährige Seniorprofessur der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung will der Wissenschaftler unter anderem nutzen, um einen Experimentierkoffer für Physiklehrerinnen und -lehrer zusammenzustellen. Außerdem will er sich verstärkt in der Fortbildung für Lehrpersonal an Gymnasien engagieren.
Forschungen und Veröffentlichungen zur Infrarotbildgebung und atmosphärischen Optik
Zu seinen Schwerpunkten als Physiker gehören die Optik und ihre atmosphärischen Phänomene, zum Beispiel Regenbögen oder Fata Morganas. Außerdem widmet er sich der Spektroskopie und insbesondere der Thermographie. In mehrere Sprachen übersetzt wurde sein 2010 gemeinsam mit Prof. Klaus-Peter Möllmann publiziertes englisches Fachbuch zur Infrarotbildgebung. Ein Thema, über das der Brandenburger zudem unzählige Fachartikel veröffentlicht hat. Gleiches gilt für die atmosphärische Optik.
Mit „Lichtspiele in der Luft – atmosphärische Optik für Einsteiger“ legte er 2005 bereits ein Einführungswerk zur Thematik vor und schon bald nach seiner Pensionierung wird ein Nachfolgewerk erscheinen. „Das neue Buch ist fast fertig“, verrät der Wissenschaftler. „Der erste Teil wird ein allgemeines Optiklehrbuch für Bachelorstudiengänge, der zweite beschäftigt sich dann mit Anwendungen und optischen Phänomenen in unserer Umwelt.“
Neben diesen beiden Spezialgebieten stillte Prof. Dr. Michael Vollmer seine Neugier als Forscher und Physiker immer auch an verblüffenden, mitunter ganz alltäglichen Phänomenen wie dem Verhalten von Regentropfen, der Physik von Champagnerflaschen und platzenden Ballons oder der Schubumkehr in Flugzeugtriebwerken.
Wissen wirkt: verständliche Klimawissenschaft für das Studium generale
Was ihn jedoch am meisten umtreibt: der Klimawandel mit all seinen Konsequenzen, das „wichtigste unaufschiebbare globale Thema unserer Zeit“, wie er sagt. Und nicht nur ihn, denn mit seiner Idee einer interdisziplinären Vorlesungsreihe zur Allgemeinbildung für die breite Öffentlichkeit traf Michael Vollmer auch bei seinen Professorenkollegen aus dem Fachbereich Technik auf offene Ohren.
Zusammen mit Prof. Dr.-Ing. Thomas Götze, Professor für Antriebstechnik, Hydraulik und Mechanismen an der THB, und Prof. Dr.-Ing. Robert Flassig, Professor für Technische Energieeffizienz, formulierte er 2019 die Grundzüge einer solchen Vorlesungsreihe zum Themenkomplex Klima, Energie und Nachhaltigkeit.
Mit 13 Vorträgen von sieben Vortragenden aus den Fachrichtungen, Physik, Maschinenbau, Wirtschaft und Medizin kam die Reihe im Jahr 2021 erstmals ins Rollen. Sie gelang auf Anhieb so gut, dass für 2022 und 2023 direkt Neuauflagen geplant wurden. Mit von der Partie sind Fachleute der Medizinischen Hochschule Brandenburg, aber auch externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Gut verständlich und wissenschaftlich fundiert erfährt das Publikum, was den globalen Treibhauseffekt verursacht, welche absehbaren Folgen der Menschheit ins Haus stehen, wie Wertstoffkreisläufe und Elektromobilität in Städten funktionieren – und wie ein klimafreundlicher Systemumbau realisiert werden kann.
Ein großer und ein kleiner Abschied
Auch Prof. Dr. Michael Vollmer hat aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen klare Konsequenzen für sich abgeleitet. Im Laufe seines Lebens war der Physiker immer wieder in die Vereinigten Staaten gereist, zu Konferenzen, aber auch zu Streifzügen durch die nordamerikanischen Nationalparks. Jetzt – vor dem Hintergrund des Klimawandels und mit geschärftem Bewusstsein für seinen ökologischen Fußabdruck – will der Professor, der viel mit dem Fahrrad unterwegs ist, diesem Sehnsuchtsort alsbald adé sagen. „Ich werde noch maximal einen Transatlantikflug in meinem Leben unternehmen, und dann ist Schluss. Und in Europa fliege ich sowieso nicht mehr.“ Seiner Hochschule bleibt er dank der Seniorprofessur aber noch mindestens drei weitere Jahre gewogen.