Kinoabend: Das hässliche Deutschland

Brandenburger Kulturverein zeigt Film über Rostock-Lichtenhagen 1992 – Schauspieler Axel Pape ist auf Einladung von Frank-Walter Steinmeier in Brandenburg zu Gast und diskutiert im Anschluss an den Film über die gefährlich aktuellen Parallelen des Films mit der Flüchtlingskrise 2016/17

„Nur weil er jetzt befördert wurde, sage ich doch den Termin nicht ab“, sagt Axel Pape lachend und Frank-Walter Steinmeier lacht laut mit. Als Axel Pape dem Bundespräsidenten zusagte, den preisgekrönten Film „Wir sind jung. Wir sind stark.“ für den Kulturverein Brandenburg in die Havelstadt zu holen und sich zusammen mit dem Regisseur und Autor Burhan Qurbani einer Diskussion zu stellen, war Steinmeier noch Vereinsvorsitzender und Außenminister. Nun ist Steinmeier Bundespräsident und Ehrenvorsitzender des Kulturvereins und wird nicht mehr an jeder Veranstaltung des Vereins teilnehmen können. Doch das Programm wird weiter erstklassig sein.

Nun, endlich steht der Brandenburger Termin für den Film, der 2015 erstmals in die Kinos kam und heute so aktuell ist wie das Jahr 1992. Die Bilder haben sich in das kollektive Gedächtnis eingeprägt: Tausende pöbeln in Rostock-Lichtenhagen gegen Ausländer, Neubaublocks gehen in Flammen auf, die Polizei ist hilflos, ein Gewaltexzess wird zum Volksfest.

Von den Anschlägen auf Asylbewerberheime in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992 erzählt der Film, der am Freitag, 9. Juni,  um 19 Uhr im Audimax der Technischen Hochschule Brandenburg (THB)  gezeigt wird. Und nicht nur wegen der aktuellen Flüchtlingskrise und dem erstarkten rechten Rand, ist das Thema so brisant wie tagaktuell.

Die Bilder dieser Tage von den Gewaltexzessen eines entfesselten Mops in Rostock-Lichtenhagen gingen damals um die Welt und beherrschen noch heute die Erinnerung an die Nachwendezeit in Ostdeutschland. Das Foto eines Betrunkenen, der im Deutschland-Shirt und mit eingenässter Jogginghose den Hitlergruß zeigt, wurde zum Bild dieser Zeit, das jeder kennt und das ein neues, hässliches Deutschland symbolisierte, in dem Rechte es auf das Leben von Ausländern abgesehen haben.

Dem Regisseur Burhan Qurbani, Sohn afghanischer Einwanderer, ist mit seinem Spielfilm ein großartiges Zeitdokument gelungen. „Wir sind jung. Wir sind stark.“ ist über weite Teile in Schwarz-Weiß gedreht. Und natürlich dreht sich der Plot auch um die Ereignisse, die dann als Fotos und Film um die Welt gingen. Aber der Film zeigt auch ein zerrissenes Land: Die Wiedervereinigung hat sich für Millionen Ostdeutscher nicht als Glücksfall erwiesen. Dem Konsumrausch folgt die Leere im Portemonnaie. Die Arbeitslosigkeit erklimmt immer neue Rekorde, viele Ostdeutsche fühlen sich fremd und ratlos im eigenen Land.

Das trifft auch gerade Jugendliche. Um sie dreht sich dieser Film. Um ihre Leere, ihre Perspektivlosigkeit –  damals zu Beginn der Neunziger. Mit brillanten Schauspielern dreht Quorbanis einen Film, in dem Jugendliche, die keine Skinheads sind, dennoch zu Mitläufern und Tätern werden, die Steine und Molotowcocktails werfen.

Der Film ist kein Werk über Rechtsradikalismus sondern über Fremdenfeindlichkeit, die sich aus der Mitte der Gesellschaft entwickelt. „Er zeigt, wie Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche sich zum Mob formieren und eine Gewaltorgie gegen Schutzlose zum Volksfest wird, bei dem man sich an eilig bereitgestellten Imbissbuden mit Bier versorgt“, schreibt Oliver Kaever über den Film im „Spiegel“.

Wie sich die Bilder gleichen. Wieder brennen Notunterkünfte und Asylbewerberheime. Auch 25 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen ist das Gespenst des hässlichen Deutschlands nicht verschwunden.

Auch darüber wird bei der Diskussion im Anschluss an den Film zu reden sein. Die THB war, wie Hochschulsprecherin Heide Traemann sagt, „sofort und gern bereit, auch in diesem Fall wieder mit dem Kulturverein zusammenzuarbeiten.“ Schließlich seien viele Studenten noch so jung, dass sie die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen gar nicht persönlich kennen.

Doch die aktuellen Bilder der Gewalt gegen Ausländer würden sich gar nicht so sehr von denen von 1992 unterscheiden.

Der Film „Wir sind jung. Wir sind stark.“ und die anschließende Diskussion sind für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren geeignet. Im großen Audimax finden auch Schulklassen und Leistungskurse Platz.

 

Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei. Der Asta der THB hat die Versorgung mit Getränken vor Ort übernommen.

Termin: Freitag, 9. Juni, 19 Uhr im Audimax der Technischen Hochschule Brandenburg (THB).

 

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