Wie kultureller Austausch und neue Technologien das Bildungssystem in Krisenregionen stärken

Beim internationalen „Project Innovation Hub“ entsteht unter Federführung der Technischen Hochschule Brandenburg eine digitale Lernplattform für Studierende im Nahen Osten und Nordafrika.

Eine Gruppe von Menschen steht vor einer historischen Ruine in einer bergigen Landschaft - Klick öffnet Bildbetrachter

Die Delegationsgruppe mit Kolleginnen und Kollegen der Dohuk Polytechical University in Amedi, Autonome Region Kurdistan-Irak. Foto: Prof. Julia Schnitzer

Eine Gruupe von Menschen sitzt in einem Raum im Kreis um einen Tisch - Klick öffnet Bildbetrachter

Die Delegationsgruppe in „Bytna“ (zu Deutsch „Mein Haus“), einem zum Museum umfunktionierten Wohnhaus in Mosul, Irak. Foto: Prof. Julia Schnitzer

Jungen Menschen aus Krisenregionen im Nahen Osten und Nordafrika den Zugang zur deutschen Hochschulbildung zu ermöglichen und Forschende miteinander zu vernetzen, das ist das Ziel des „Project Innovation Hub“. Kern des vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Projektes unter der Leitung von Prof. Julia Schnitzer, Professorin für Digitale Medien an der Technischen Hochschule Brandenburg (THB), ist der Aufbau einer digitalen Lernplattform. Mit dieser können Studierende aus Ländern wie dem Irak, dem Sudan, Jordanien oder dem Libanon virtuell Seminare an deutschen Hochschulen belegen.

Übergreifendes Thema ist dabei die Digitalisierung von UNESCO-Weltkulturerbestätten. Dabei sollen Lösungen für die digitale Erhaltung gefährdeter historischer Orte entwickelt werden. Anhand neuer Technologien wie Photogrammetrie, Laserscanning und 3D-Modellierung erstellen die Studierenden gemeinsam mit den Lehrenden digitale Zwillinge von Kulturschätzen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und detailgetreu für nachfolgende Generationen bewahrt werden.

In Jordanien nehmen mehrere dieser Digitalisierungsprojekte bereits Gestalt an. Dabei geht es unter anderem um die berühmte Nabatäerstadt Petra und die Zitadelle in der Hauptstadt Amman. Ein weiterer solcher Ort ist die Zitadelle von Erbil, die derzeit aufgrund umfangreicher Restaurierungsarbeiten für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Sie ist nach Angaben der UNESCO einer der ältesten durchgehend bewohnten Orte der Welt, ihre Geschichte reicht bis ins 5. Jahrhundert vor Christus zurück. Um die Digitalisierungspläne zu konkretisieren, konnte eine deutsche Besuchergruppe die Zitadelle im Rahmen einer Projektwoche jüngst in Augenschein nehmen.

Bereits im April 2024 hatte eine Gruppe von Lehrenden und Studierenden Bagdad und Mossul im Irak sowie Erbil und Dohuk in der Autonomen Region Kurdistan besucht. Neben der THB waren auch die Hochschule Darmstadt, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die Ernst-Abbe-Hochschule Jena, die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sowie die American University of Beirut beteiligt. Weil das „Project Innovation Hub“ auch dazu beitragen soll, das irakische Bildungssystem zu stärken und die Internationalisierung voranzubringen, waren auch das Ministry of Higher Education and Research in Bagdad und die deutsche Botschaft im Irak eingebunden.

Es gehe darum, die Denkweise der Menschen zu verändern, betont Prof. Dr. Kossay Al-Ahmady, Präsident der Universität Mossul: „Nachdem der ‚Islamische Staat‘ drei Jahre lang unser Leben und unsere Gedanken dominiert hat, brauchen wir einen Neuanfang.“ Die Universität Mossul startete nach der Befreiung der Stadt durch die irakische Armee 2017 eine groß angelegte Kampagne, um die Bürgerinnen und Bürger zu Weltoffenheit, Demokratie, Lebensfreude und einem friedlichen Miteinander zu ermutigen. „Die Universität hat sich zu einem wichtigen gesellschaftlichen Faktor entwickelt.“

Bei den Besuchen der deutschen Delegation an Universitäten im ganzen Land tauschten sich deutsche und irakische Studierende in Workshops über Erfahrungen im Studium, ihre Forschungsinteressen und Weltanschauungen aus. „Es ist beeindruckend, wie binnen weniger Jahre Universitäten wieder aufgebaut und Bildung zur Priorität im Land wurde“, sagt Film-Studentin Sophie Bade von der Hochschule Darmstadt. „Die Wissenschaft bietet ideale Voraussetzungen für kulturübergreifenden Austausch. Der Irak benötigt nun einen ‚Bologna-Moment‘, um Studierenden – wie in Europa durch eine Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen – internationale Mobilität zu ermöglichen“, ergänzt Prof. Dr. Paul Grimm, Professor für Augmented und Virtual Reality an der Hochschule Darmstadt.

Für die deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet der Austausch die Chance, ihre irakischen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen und Möglichkeiten gemeinsamer Lehr- und Forschungsprojekte auszuloten. „Die Situation ist nicht einfach“, sagt Julia Schnitzer. „Das Beste, was wir in Anbetracht der aktuell angespannten Lage im Nahen Osten tun können, ist weiterzumachen, die bestehenden Kooperationen auszubauen und das Vertrauen auf beiden Seiten zu stärken.“

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